Sollten wir eigentlich reich(er) sein? Reichtum in Predigten im 19. Jahrhundert

Die bereits im Alten Testament feststellbare ambivalente Bewertung des Reichtums als Gottesgeschenk oder aber die radikale Reichtumskritik ziehen sich auch durch die christlichen Schriften bis in die Predigten der Moderne. Diese gelten grundsätzlich auch noch im 19. Jahrhundert als Massenmedium, mit dem Geistliche durch rhetorische Mittel der Orientierung der Lebensführung beisteuern. Die Pfarrer suchten dabei normative Konzepte der religiösen und politischen Ordnung zu entwerfen, welche in der Regenerationszeit durch die feststellbare politische Fundamentalauseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen und die Verhärtung im Verhältnis der Konfessionen zunehmend umstritten schien. Zur Legitimation dieser Ordnung verhalfen die Geistlichen unter anderem mit dem Rekurrieren auf den Reichtum und die damit eng verwandten Begriffe wie Besitz und Eigentum, Armut, Luxus, Überfluss und Einfachheit. Die Konzepte sind dabei vom religiösen Interpretationsrahmen bestimmt und dabei von hoher Ambivalenz geprägt. Es besteht bei den Geistlichen grundlegende Einigkeit über den Primat des Gottesreiches und damit einhergehend der Nachstellung der weltlichen Sphäre. Eine grundlegende Kritik an Wohlstand und Überfluss folgt daraus aber gerade nicht. Einerseits werden der steigende Wohlstand und Reichtum positiv als legitimierender Gottessegen und die Teuerung korrespondierend damit als Züchtigung Gottes aufgefasst. Andererseits findet sich ebenso in Anknüpfung an den klassischen Republikanismus eine fundamentale Luxuskritik. So sollen in diesem Beitrag die in den katholischen und reformierten Predigten entwickelten Konzepte von Reichtum aufgezeigt und kontextualisiert werden. Dabei kann auch die spezifische Form der religiösen Rhetorik den beiden anderen Beiträgen gegenübergestellt und deren Spezifika bezüglich des politischen Diskurses herausgearbeitet werden.

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