Über die materielle Unvorbedingtheit des Glücks. Ein Beitrag zum öffentlichen Diskurs der deutschen Aufklärung
Referat im Panel „Geld macht nicht glücklich“. Wissenskulturen des Glücks in historischer Perspektive
In Zeitschriftenartikel aus dem deutschen Sprachraum der 1750er bis 1780er Jahre findet sich eine Reihe von Beiträgen, die den Zusammenhang von Glück und gesellschaftlicher Ungleichheit thematisieren. Angesetzt wird dabei bei dem enormen Unterschied an Reichtum und Ansehen in der ständischen Gesellschaft. Was prima facie aber als ungerechtfertigte Ungleichheit beschrieben wird, wird im Fortgang jeweils ethisch entproblematisiert, indem auf die jedem Menschen erreichbare Glückseligkeit verwiesen wird.
In einem ersten Argumentationsstrang wird diese Glückseligkeit als unabhängig von allen äußeren Umständen konzipiert; in einem zweiten gilt gerade der soziale Abgleich als Quelle zur Erkenntnis einer tieferliegenden göttlichen Gerechtigkeit. Liegt in all dem ein Nukleus, der sich zu sozialer Kritik entfalten könnte, so bleibt dies doch immer auf der moralischen Ebene. Der Diskurs zeigt sich durchgängig als gesellschaftlich stabilisierend, indem das als relevant herausgehobene Gut des Glücks als unabhängig von der als ethisch irrelevant ausgezeichneten gesellschaftlichen Ungleichheit verfasst wird. Dass diese Grundstruktur der deutschen Texte keineswegs als selbstverständliches Epochensignum angesehen werden muss, zeigt der Abgleich mit einer Schrift aus der Zeitschrift Schweizerisches Museum. Von derselben Grundfiguration ausgehend wird hier eine materielle Vorbedingtheit der Zufriedenheit ausgewiesen. Im republikanischen Kontext erscheint wirtschaftliche Sicherheit als Vorbedingung der Freiheit.
Die Ver- bzw. Entknüpfung von Glück und Reichtum erweist sich als politisch ambivalent: Die Fokussierung auf individuelles Glück als auschlaggebendes Gut kann zu einer Entpolitisierung, zu einer Konzentration auf Psychotechniken der Zufriedenheitserzeugung führen, die gesellschaftliche Kritik letztlich als Scheitern, die eigene Position anzunehmen, deutet.